☆ Der Mehrwert von Entbehrungen

Ich glaube, Entbehrungen (keine Dusche, keine umfängliche Speisekarte, Kälte, stundenlanges Warten auf den Bus ohne Schattengeber, auf dem Boden schlafen blablabla) tragen auch dazu bei, wieder die Schönheiten des Lebens schätzen zu können. Dabei sind das gar keine wirklichen Entbehrungen. Es sind Bubble Entbehrungen, über die 80% der Weltbewohner herzlich lachen würden. Aber so bleibt eben jedes Leben speziell, hat seine Berechtigung und ist eigen: für mich persönlich sind es deshalb Entbehrungen, weil mein „normaler“ Tag so nicht gestrickt ist.

Ich finde diese Erfahrungen aber auch wichtig und hatte mich etwa auf einer der letzten Reisen dafür entschieden, fünf Wochen lang kontinuierlich nur in Hostels zu schlafen. Etwas, was ich seit meiner Studentenzeit nicht mehr tat.

Jede Nacht das Zimmer mit fremden Menschen geteilt. Mal auf engem Raum (was schlimm für mich ist, wenn es kein Fenster zum Öffnen gibt) oder mit einem lauten Schnarcher im Hochbett unter mir (den ich dann nachts kicken musste, wenn Ohrstöpsel nicht mehr halfen). Keine Privatsphäre für so lange Zeit. Das macht was aus einem – fand ich spannend zu erfahren!

Als Studentin bin ich nur auf diese Art und Weise oder eben mit Hängematte zwischen zwei Palmen gereist. Damals war das mit dem Reisegeld noch speziell und es hat mich nicht gestört. Doch seitdem sind zwanzig Jahre im Komfortbubble vergangen. Heute muss ich mich mehr bemühen, um Bodenhaftung zu halten. Dazu kommt, dass auch Freiheit ein für mich sehr wichtiger Wert ist und ich glaube, dass ich nur dann wirklich frei sein kann, wenn ich unabhängig von den äußeren Umständen glücklich bin. Also auch dann, wenn ich etwa auf dem Boden schlafe. Das geht übrigens besser als gedacht. Genauso wie in vollen Hostel Zimmern. Im Laufe der Zeit hört man den Lärm einfach immer weniger. Auch da: der Mensch passt sich an. Wir sind widerstandsfähiger als oft gedacht.

Was dann aus diesen Momenten der Einfachheit entstehen kann, ist magisch: die warme Dusche nach Tagen in den kühlen Anden, ein paar Minuten Klimaanlage in den schwülen Tropen, das Hostel, bei dem es überraschenderweise einen Vorhang zur Schlafnische gibt (Privatsphäre! Ich blieb den ganzen Abend freiwillig dort, weil es ein so wunderbares Gefühl war, wirklich wieder mit sich alleine sein zu dürfen – hahah) blablabla.

Und spätestens dann hat die Welt mich mit all ihren Freuden wieder, mit all ihrer Einzigartigkeit. Denn so brutal und hart das Leben auch sein kann: die Welt, auf der wir stehen, ist so verdammt besonders und voll mit Überraschungen. Und dann denke ich mir wieder, dass es eigentlich gar nicht sein kann, dass es immer wieder etwas gibt, bei dem ich wie ein kleines Mädchen mit großen Augen davor stehe. Tut es aber!!

Magic happens.

☆ Abgedrückt

Das Photo ist auf einem meiner letzten Flüge entstanden. Es zeigt die Begeisterung des kleinen Kindes im Sitz vor mir als es die Welt von oben, vielleicht zum ersten Mal bewusst, wahrnahm. Es hüpfte aufgeregt und zeigte mit seinen Patschfingern auf das ovale Flugzeugfenster und damit auch auf die verschiedensten Dinge unter ihm während es zeitlich „Mira aquí“ ausrief. Genau das ist es für mich, was das Reisen ausmacht: den eigenen Horizont erweitern, expandieren und alte Denkmuster zurück lassen. Raus aus dem Bubble, in dem wir ansonsten schwimmen. Reisen ist wie das Buch des Lebens lesen.

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