Wie Mosaikstücke scheint sich der Libanon für mich zusammenzusetzen, bestehend aus einer größeren Anzahl an problematischen Themen, so vielen, dass einem dabei leicht schwindelig werden könnte. Die Stromversorgung ist instabil und nur für ein paar Stunden täglich vorgesehen, Dunkelheit nachts, kein stabiles Internet als Verbindung ins ferne Außen, eine um etwa 90% abgewertete Landeswährung, die die Liebe zum Dollar groß werden lässt und für einen starken Schwarzmarkt sorgt. Partiell Hunger im Land, so hört man bereits, und sieht die Bettler am Straßenrand und das sind nicht allein Flüchtlinge.
Flüchtlinge, die nicht nur etwa aus Palästina oder Syrien kommen, sondern zudem auch aus dem eigenen Land, dem Libanon. Mindestens zwei Militäreinheiten, die vom Staat und die der Hisbollah, Stützpunkt in Baalbek, der Ort, der an manchen Stellen faszinierend römisch anmutet. Straßenkontrollen, manchmal unklar, von wem genau.
Der Iran im Land, andere geopolitische Machtspiele dazu. Eine Regierung, die seit mehr als dreißig Jahren ihr korruptes Image frech sogar so intensiv auslebt, dass selbst die Bankkonten der Libanesen von ihnen geplündert wurden und die sich hinter dicken Mauern im Regierungsbezirk verschanzen müssen, gegenüber einst schicken Läden wie Chanel oder Rolex, die aktuell verwaist und geschlossen eine weitere klaffende Leere im Beiruter Stadtleben schaffen.
Kilometerlanger Stau an den wenigen Tankstellen, die noch Benzin haben. Laufendes Wasser nur morgens, oft einzig für eine knappe Stunde lang, eilig nach oben gepumpt, hinein in die riesigen Wasserkanister, damit doch auch tags der Wasserhahn laufen kann. Eine Bildungselite, die das Land schon längst verlassen hat, das, was sich viele wünschen, die nicht können, so wie Abir, die für einen in Paris lebenden Libanesen seine Immobilien in Beirut verwaltet, und bei der ich spontan im Auto mitfahren durfte: „Wenn ich könnte, würde ich sofort gehen!“
Eine geringe Wahlbeteiligung, die zu Recht auch für die nächsten Wahlen erwartet werden kann. „Warum auch?“, so Marian, die mir das Frühstück mit ihren knapp zwanzig Jahren zubereitet. „Verändern könne man doch nichts“, ergänzt Rabih, Typ Hippie mit Rastahaar und glänzenden Weed-Augen während er den Kopf schüttelt, „Es bräuchte externe Unterstützung, schließlich ist der ganze Mist auch mit externen Mitteln entstanden.“
Drei junge Äthiopierinnen im geteilten Taxi, auf der Suche nach einem besseren Glück und mehr Chancen. Sie arbeiten nun als Haushaltskraft, lernen arabisch. Ihre Pässe mussten sie abgeben und es sei weniger Freiheitsgefühl da als gedacht.
Und dann gibt es noch den Taxifahrer Emad, ein athletischer Libanese, den ich bei der Ankunft kennengelernt habe und dem ich mit seinem klapprigen Hunda treu gebliebenen bin. Emad, eigentlich Topograph gehört zu den Libanesen, deren Schmerz wie eine Eiterwunde nun aufzuplatzen droht. Als die Benzinpumpe seines Autos, beim ersten Hang in die libanesischen Berge, trotz Reparatur kurz zuvor für viel Geld, das er eigentlich nicht hat, erneut versagte, schlug er wild wütend auf sein Lenkrad ein, dessen Lederummantelung an der einen Seite doch schon längst aufgesprungen ist:„I am ready to fight, even when this means that I might lose my life.“, ruft Emad aus und hofft auf den vierten August, dem Jahrestag der Explosion im Beiruter Hafen.